Im Jahr 2023 geht der Publikumspreis an den Film “The Cord of Life” der Regisseurin QIAO Sixue. Der Film erfreute er sich bei den Zuschauer*innen des 11. Chinesischen Filmfestes München großer Beliebthei und erhielt während des Filmfestivals die besten Bewertungen. Er wird daher von uns mit dem Publikumspreis ausgezeichnet.
Der Film "The Cord of Life" handelt von Alu, der seine demente Mutter zurück in ihre Heimat in der Steppe bringt, um sich dort um sie zu kümmern. Er merkt, dass er sich mehr vorgenommen hat, als er bewältigen kann, und findet in der Einheimischen Tama eine unentbehrliche Stütze. Als sich der Zustand seiner Mutter verschlechtert, möchte Alus sie an einen Ort aus ihrer Kindheit bringen, der auf einem Familienfoto mit ihren Eltern zu sehen ist. Sie wird somit zum Kind, das nach Hause zurückkehren möchte, und er zum Elternteil, der sie dorthin bringen muss.
Die Regisseurin des Films, QIAO Sixue, machte ihren Abschluss von der 3IS Film School in Paris, Frankreich. Sie hat bereits mehrere Drehbücher für Spielfilme geschrieben, “The Cord of Life” (2023) ist ihr Debütfilm.
Am 25.10. ist das 8. Chinesische Filmfest München mit seiner ersten Online-Ausgabe erfolgreich zu Ende gegangen. Die Zuschauer*innen auf der Online-Plattform konnten für ihren Favoriten abstimmen. Gewonnen hat die wunderbare Musik-Dokumentation "One Sound One Life 尺八·一声一世" von Helen Qin über die japanische Bambusflöte Shakuhachi. Rong Wang vom Konfuzius-Institut München hat die Regisseurin Frau Helen Qin im Dezember interviewt.
Konfuzius-Institut München (KIM): Die Shakuhachi ist ein Nischen-Instrument. Wie sind Sie zum ersten Mal mit der Shakuhachi in Kontakt gekommen und wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Dokumentarfilm darüber zu drehen?
Helen Qin: Das erste Mal, dass ich den Klang der Shakuhachi hörte, war im Jahr 2016. Damals war es schon 10 Jahre her, dass ich aufgehört hatte zu arbeiten und zu meiner Familie zurückkehrt war, um mehr Zeit mit meinen Kindern zu verbringen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich das Gefühl, dass meine Kinder langsam erwachsen und unabhängig wurden und ich so mehr Zeit hatte, meinen eigenen Interessen nachzugehen. Aber ich hatte auch festgestellt, dass ich mich in diesen Jahren immer weiter von der Arbeit und der Gesellschaft entfernt hatte, so dass ich mich oft ängstlich und einsam fühlte. In der Zeit ging es mir generell sehr schlecht.
Eines Tages fuhr ich während der Abenddämmerung auf der Landstraße und legte beiläufig eine CD auf, die mir ein Freund geschenkt hatte. Vor meinen Augen erstreckte sich die endlos lange Straße, und die Sonne versank am Horizont während ich dem Klang der Shakuhachi lauschte. Die Musik berührte mich tief in meiner Seele und ich fühlte, wie mir das Herz aufging. Plötzlich brach ich in Tränen aus und nur ein einziges Wort kam mir in den Sinn: Freiheit. Mir wurde bewusst, wie groß diese Welt ist und wie unbedeutend die Erwartungen und Vorurteile anderer sind. Warum sollte ich mir also darüber Sorgen machen? Die Musik kam mir magisch vor.
Nachdem ich den Freund danach fragte, erfuhr ich, dass es sich bei dem Stück um die Shakuhachi-Musik "Sora" von Kinohachi handelte. Ich war äußerst überrascht, da ich selbst chinesische Malerei und Kalligrafie gelernt, aber noch nie von der Shakuhachi-Flöte gehört hatte. Danach habe ich viel recherchiert und festgestellt, dass nur wenige Menschen in China dieses Instrument kennen.
Tatsächlich habe ich selbst Film und Fernsehen an der New York University studiert und wollte schon immer eigene Werke produzieren. Ich hatte nur nie ein Thema gefunden, das mich begeisterte. Aber die Shakuhachi hat mich derart fasziniert, dass ich beschloss einen Film über dieses Instrument zu drehen.
KIM: Im Film wurden verschiedenste Künster, Instrumentenbauer und Shakuhachi-Fans aus China, den USA und Japan interviewt. Wie haben Sie und Ihr Team diese Menschen für den Film gefunden?
Helen Qin: Die interviewten Künstler habe ich tatsächlich nicht bewusst ausgesucht, sondern bin ihnen zufällig begegnet. Es war sozusagen Schicksal. Am Anfang wahrten wir noch einen gewissen Höflichkeitsabstand, aber mit der Zeit, als wir uns im täglichen Leben und während den Dreharbeiten näherkamen, wurde das Verhältnis viel herzlicher. Jede einzelne Shakuhachi-Lebensgeschichte berührte mich tief.
KIM: Der Film wurde über drei Jahre an verschiedenen Standorten in mehreren Ländern gedreht. Auf welche Schwierigkeiten und Herausforderungen sind Sie dabei gestoßen?
Helen Qin: Mir fiel es am schwersten, vor Beginn der Dreharbeiten Entscheidungen zu treffen und mich festzulegen. Als ich beschloss einen Dokumentarfilm über die Shakuhachi zu drehen, wurde ich vor allem nach Geschäftsmodellen und -plänen gefragt. Aber mein Mann fragte mich, ob ich den Film drehen will, um Geld zu verdienen. Was war die ursprüngliche Absicht?
Plötzlich wurde mir klar, dass es die Shakuhachi war, die mich dazu brachte, mich selbst zu sehen. Also sollte ich tun, was ich ursprüngilch tun wollte und zwar, mehr Menschen über die Shakuhachi zu informieren. Dies war meine grundlegende Idee. Es war mein Wunsch einen Film über das Shakuhachi-Instrument zu drehen, also hatte ich den Mut diesen Weg weiter zu verfolgen und beschloss, "One Sound One Life" zu realisieren.
KIM: Wir haben gehört, dass Sie die Kalligrafie auf dem Titelbild des Films selbst von Hand geschrieben haben. Können Sie uns erzählen, warum der Film " Shakuhachi: One Sound One Life" heißt?
Helen Qin: Die Kalligrafie des Titels ist tatsächlich von mir. Hinter dem Titel des Films verbirgt sich eine kurze Geschichte. Zuerst wollten wir nur eine kurze faktenbasierte Dokumentation über das Shakuhachi-Instrument an sich drehen. Mit wachsendem Verständnis für das Instrument und die Menschen, deren Leben es beeinflusst, haben wir uns jedoch schlussendlich dazu entschieden, den Blickwinkel zu wechseln. Der Fokus lag nun nicht nur auf dem Instrument, sondern auch auf den Musikern. Man erkennt im Laufe des Films deutlich, wie der Klang der Shakuhachi sie ihr ganzes Leben lang begleitet. Aus diesem Grund entschieden wir uns für den Titel "Shakuhachi: One Sound One Life".
KIM: Sie sind nicht nur Regisseurin des Films, sondern auch Produzentin. Haben Sie die Kostenfaktoren der Dreharbeiten berücksichtigt? Hatten Sie mit diesem relativ literarischen Thema Schwierigkeiten, den Film in die Kinos zu bringen?
Helen Qin: Wie schon erwähnt, war meine ursprüngliche Absicht sehr einfach. Ich wollte, dass Menschen wie ich, die noch nie von der Shakuhachi gehört hatten, dieses Instrument kennenlernen. Ich wollte dem Publikum auch die bewegenden Geschichten der Musiker näherbringen. Die Shakuhachi ist ein chinesisches Musikinstrument, das heutzutage nur noch wenige Menschen kennen. Wenn man hierbei nur den Gewinn an den Kinokassen im Blick hat, lohnt sich dieses Projekt nicht. Im Vergleich zu Kassenschlagern stößt man tatsächlich auf Schwierigkeiten bei der Vermarktung an die Kinos. Viele Zuschauer*innen beklagten, dass es in den umliegenden Kinos keine Vorstellungen dieses Films gab. Letztendlich erhielten wir jedoch auf douban.com die höchste Bewertung von allen Filme, die im selben Zeitraum erschienen waren. Ich fühle mich sehr geehrt und bin dankbar für diese überraschend positive Resonanz.
KIM: Nach dem Erscheinen des Films sind viele Zuschauer*innen zum ersten Mal mit dem traditionellen Instrument in Kontakt gekommen. Haben Sie eine Veränderung im Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Shakuhachi wahrgenommen? Im Film werden mehrere Ausschnitte eines Konzerts gezeigt. Haben Sie vor auch in Zukunft die Shakuhachi auf andere Arten zu fördern?
Helen Qin: Zum jetzigen Zeitpunkt hat sich die Shakuhachi in den Musikerkreisen Chinas bereits etabliert. Herr Kinohachis Konzerte sind sehr positiv aufgenommen worden und er hat an Soundtracks für zahlreiche Game- und Film- sowie Fernsehproduktionen gearbeitet, unter anderem für "Detective Chinatown 3", "Ever Night 2" und auch für diverse Handyspiele wie "Samurai Shodown" und "Tian Di Jie". Außerdem wurde das von Meister Kinohachi gespielte Titellied "One Sound One Life" für den diesjährigen Imagefilm der Stadt Hangzhou verwendet.
Tatsächlich haben wir bereits während der Dreharbeiten zum Dokumentarfilm Konzerte für Kinohachi und Akihisa Kominato in China organisiert. Die China-Tour von Herrn Kinohachi im Jahr 2019 war sehr erfolgreich. Herr Kinohachi wollte auch im Jahr 2020 nach China kommen, aber die Tour wurde wegen der Pandemie abgesagt. Sobald Sie die Musik einmal live gehört haben, werden Sie verstehen, dass der Klang, der aus gewöhnlichen Lautsprechern zu hören ist, kein Vergleich zu der live gespielten Shakuhachi-Musik ist. Sie hat eine herzergreifende Wirkung, deshalb werden wir Shakuhachi-Konzerte auch in Zukunft weiter fördern.
In China ist das Studium der Shakuhachi nicht weit verbreitet, daher organisieren wir immer noch Shakuhachi-Kurse. 2019 luden wir Meister Kominato ein nach Peking zu kommen, um Shakuhachi-Kurse zu leiten. Dies war ein großer Erfolg. Jetzt gibt Herr Kominato Shakuhachi Online-Unterricht, und so wurde die Kommunikation mit den chinesischen Shakuhachi-Fans auch während der Pandemie nicht unterbrochen.
Um die Hemmschwelle zu senken und das Lernen interessierten Anfängern zu erleichtern, haben wir kürzlich eine spezielle Shakuhachi aus Harz zu einem niedrigeren Preis als die Bambus-Shakuhachi auf den Markt gebracht. Wir hoffen, dass mehr Menschen an der Shakuhachi Gefallen finden werden. Um ein größeres Publikum für dieses tausend Jahre alte Musikinstrument zu begeistern, müssen wir es noch mit moderner Musik und modernen Massenkommunikationsmethoden kombinieren. Möglicherweise liegt noch ein langer Weg vor uns. Ich werde mein Bestes geben, um zur Entwicklung des Bewusstseins für dieses Instruments beizutragen.
KIM: Haben Sie in näherer Zukunft noch weitere Drehpläne?
Helen Qin: Die Dreharbeiten für den Dokumentarfilm waren ein langer Prozess mit vielen Unsicherheiten. Das einzige, dessen ich mir sicher bin ist meine Leidenschaft zu der Shakuhachi. Daher werde ich mich weiterhin auf die Entwicklung der Shakuhachi konzentrieren. Ich habe das Team gebeten, einige Shakuhachi-Spieler weiterhin mit der Kamera zu begleiten und die Veränderungen in ihrem Leben, sowie ihre Musikaktivitäten festzuhalten. Vielleicht wird es bald eine neue Dokumentationen geben, die Sie dann im Kino sehen können. Aber das Erscheinungsdatum ist noch ungewiss. Ich bin auch sehr gespannt darauf und werde weiter hart daran arbeiten.
KIM: Möchten Sie den deutschen Fans von "One Sound One Life" etwas mitteilen?
Helen Qin: Zunächst möchte ich den Organisatoren des 8. Chinesischen Filmfests München danken. Ich freue mich sehr zu hören, dass ich den Publikumspreis gewonnen habe. Es ist wirklich großartig, ein Jahr nach der Veröffentlichung des Films noch so eine positive Resonanz von den Zuschauern zu bekommen. Ich danke Ihnen allen, dass Sie "Shakuhachi: One Sound One Life" gesehen und genossen haben. Ich freue mich, dass Sie dieses alte Musikinstrument genauso schätzen und lieben wie ich. Das Jahr 2020 neigt sich dem Ende zu. Ich denke, dass dieses Jahr für uns alle kein einfaches war. Ich hoffe, dass Sie der Film nicht nur kurzzeitig berührt hat, sondern Sie motiviert hat an der Faszination festzuhalten und sie auch in die Zukunft weiterzutragen. Nochmals vielen Dank an alle!
(Übersetzung: Katharina Ling, Lea Kang, Lili Kang)